Zur Bearbeitung hier klicken.10. Ein Ausflug in die Welt des Verkaufs
Mut kommt von Übermut – oder umgekehrt? Ich wollte wissen, ob ich etwas kann, das Vielen so leicht fällt. Einige Freunde ermunterten mich sogar und meinten: Du machst das schon….! Und ich Obertrottel musste das tatsächlich ausprobieren…… Am Dienstag Abend Punkt 19 Uhr erschienen 4 Personen vor meiner Haustür, wollten bibbernd ´rein. Sie kamen auf Vermittlung eines jener netten Leute, die meinten, ich könne DAS schon…… Die Dame begrüßte mich überschwänglich: „Mei, Frau Schääääärnsche, wie geht es Ihnen? Gut sehen Sie aus, jung und frisch! Und Sie wohnen so schön. Neiiiin, dieses Haaauuus, diese Gegend und danke für die Einladung…“ – strahl strahl strahl… Alles ohne Luft zu holen! Ich sah sie mir genauer an und ahnte: die kennt mich von früher! Oh je, wohin mit diesem Gesicht? Dann fragte ich sie einfach: „Ja Grüß Gott Frau äh….. wie ist nochmal ihr Name?“ „Ooooobermair, Frau Schääärnsche, ich bin doch die Frau Ooooobermair. Ich war doch vor 6 Jahren bei ihnen wegen meiner Augen. Wissen Sie noch? Ich war doch die mit der Sonnenbrille. Wissen Sie noch? Sie haben doch damals meine Augen so schnell geheilt. Wissen Sie noch? Und das ist mein Mann!…“ sie deutete auf einen leicht verschmitzt dreinblickenden Herrn in Lederjacke mit kurzem Schnauzbart (igitt- sowas kratzt doch!), der sich mittlerweile in den Hausflur gedrängt hatte. Wir gaben uns die Hand. Nun wollten aber die anderen beiden Herren ebenfalls vehement zur Haustür herein. Draußen war es kalt. Ich schaute nach oben. Es bestand ein nicht zu übersehender Höhenunterschied hinauf zu den beiden Köpfen. Es mussten mindestens 30 cm sein. „Grüß Gott Herr äh…“ Meine Hand verschwand in einer Pranke, der Herr lächelte freundlich und nannte seinen Namen. Das Gesicht, dieses Gesicht, kenne ich es oder nicht….? Dann strahlte mich der andere, wesentlich jüngere Herr, an und stellte sich freundlich vor. Nichts ungewöhnliches an Namen dabei. Die würde ich mir hoffentlich merken können! Die Garderobe wurde aufgehängt, wir gingen ins Wohnzimmer. Auf dem Esstisch hatte ich Gläser, Wasser und Saft deponiert und bat die Anwesenden, sich zu bedienen. Gleichzeitig ermunterte ich Frau Obermair, schon mal mit mir in den Nebenraum zu kommen, um sich mit bloßen Füssen auf den Innerscan zu stellen. Das ist ein Gerät, vom Aussehen her ähnlich einer ganz normalen Körperwaage, das jedoch einige weitere Messungen ermöglicht, wie z.B. das Körperfett, das Viszeralfett (und das ist das gefährliche Fett!), den Wasserhaushalt, die Muskelmasse und das hochinteressante Stoffwechselalter. Wir benötigten 3 Versuche bis sie begriff, dass sie ihre Hände einfach um die Handelektroden legen und ruhig rechts und links an ihrem Körper herunterhängen lassen sollte. Nein, die Zehen bitte nicht bewegen. Ruhig stehen. Mein Gott, diese Füße…..! Geschafft. Die anderen 3 Scanns verliefen schneller. Ich passte auf, dass die Hosenbeine vor Betreten des Gerätes hochgekrempelt wurden, damit die Fersen die empfindlichen Messplatten berühren konnten. Alles wurde notiert. Fertig. Jeder erhielt seine Werte auf einem Blatt Papier. Dann ging es los. Ich erklärte die nun für jeden schwarz auf weiß von ihren Zetteln ablesbaren Zahlen und sagte einiges mit mental erhobenem Zeigefinger dazu. Zwischendurch musste ich die Dame in ihrem Redefluss bremsen. Es interessierte mich nicht, wie oft sie bei welchem Doktor war, der ihr schlussendlich dann doch nicht helfen konnte. Ich erzähle von der WHO, erkläre mit Nachdruck die 70% vorzeitiger Todesfälle, zeigte eine Folie mit der Bauchspeicheldrüsen-Insulinproduktion usw. Alle nickten und schienen das zu verstehen. Jeder kannte jemanden mit Herzproblemen, Diabetes, Bluthochdruck, Rheuma, Krebs etc.. Dann stellte ich fest, wie gut es mir geht, seitdem ich meine Ernährung umgestellt hatte, vor allem das Frühstück, weil ja in der Früh alle Zellen leer sind etc. pp., berichtete auch von den Erfolgen anderer Leute usw. Anschließend fragte ich, ob sie alle mit ihrer Gesundheit zufrieden seien. Die Herren bejaten und grinsten zufrieden vor sich hin. „Vor allem, wenn´s a Weißbier gibt!“ In dem Moment fiel mir ein, dass ich vom Hörensagen wusste, dass manche Männer morgens maximal 5 Sekunden intensiv in den Spiegel schauen, sich über ihr Konterfei freuen, murmeln: “Passt schon” und das Bad verlassen…… So leicht gab ich nicht auf. „Weißbier ist flüssiges Brot und somit sind das Kohlenhydrate. Das wollen Sie doch sicherlich nicht schon zum Frühstück trinken, oder?“ Sie blieben mir eine Antwort schuldig. Ich wollte dann zum Shake-Teil des Abends übergehen und fragte, ob sie von den Produkten etwas probieren möchten. „Ja.“ Also begab ich mich in die Küche und holte 3 vorbereitete, unterschiedliche Shakes, verteilt auf insgesamt 12 Gläser. Uijuijui, der erste Shake – Vanille mit einem Schuss Ananassaft (mein Favorit!) – verursachte bei dem jungen Mann ein sofortiges Gesichtverziehen. Er stellte das Glas empört auf den Tisch. „Nä. Sowas kann ich nicht trinken. Und das soll gesund sein? Und satt machen? Nä.“ Aha! Sein Kollege nippte – gewarnt durch den Meckerer – zuerst vorsichtig. Er mochte nicht auch an Übelkeit erkranken. Dann setzte er mutig an und leerte sein Glas in einem Zug. Ich schaute ihn interessiert an. Er lebte noch. Sein Gesicht war unverändert. Von Begeisterung keine Spur. Dann probierte der Herr mit dem Schnauzbart, schmatzte ein wenig und meint: „Jooo, der Geschmack geht.“ Aha. Dann sie. Probierte, strahlte und stellte fest: „Das kenne ich von früher. Das muss „Life mit Herb“ sein. Das habe ich schon mal 2 Wochen lang genommen und mich gut gefühlt dabei. Viel Energie hatte ich dabei. Abgenommen habe ich auch dabei. Aber nach 2 Wochen bekam ich´s mit dem Magen und dann habe ich aufgehört.“ Aha.' Nachdem die Shakes ja sowieso vorbereitet waren, schenkte ich sie auch aus. Der junge Mann verweigerte konsequent, der Kollege war tapfer und trank. Ebenso der Schnauzbart und seine Frau. Die Begeisterung hielt sich in Grenzen. Ich holte zum vorletzten Schlag aus und servierte leckere Eiweißriegel in den Geschmacksrichtungen Zitrone, Vanille-Mandel und Erdnuss-Schoko. „Ja,“ meinte der Schnauzbart, der alle 3 Shakes brav getrunken hatte, „das macht satt. Aber für mich ist das alles nichts. Wissen Sie, ich bin als beruflich viel unterwegs, da kann ich mir nicht diese Shakes machen. Ich muss mit den Kunden zum Essen gehen. Das erwarten die so. Und so viel trinken, wie Sie meinen, kann ich auch nicht. Da müsste ich ja dauernd zur Toilette laufen. So oft kann ich mit dem Auto nicht anhalten. Das geht alles nicht.“ Ich bin bestimmt nicht auf den Mund gefallen, aber da war ich sprachlos. Auch mein Hinweis, dass es sich doch hier um SEINE Gesundheit handelt und er mit seinem geringen Wasserhaushalt, den der Scan uns gezeigt hatte, ja schon auf dem Weg der Vertrocknung sei, half nicht. Nun holte ich zum letzten Schlag aus und servierte Mahlzeiten-Riegel. „Hier haben Sie etwas zum kauen, das Sie nicht mixen müssen, das Sie immer griffbereit in Ihrer Jackentasche tragen können und davon absolut satt werden. Auch hierin sind alle wichtigen Nährstoffe enthalten, die Ihr Körper täglich braucht, damit Ihr Motor läuft.“ Alle griffen zu. Kommentar: Null! Mir war jetzt vollkommen klar: wenn ich eines ganz bestimmt nicht kann, dann ist es das Verkaufen! Was hatte ich mir nur dabei gedacht??? Frau Obermair ergriff das Wort, holte zeitgleich demonstrativ ihr Portemonnaie aus der Handtasche und sagte: „Also ich nehme 1 Shake-Dose Vanille, das Aloe, den Tee und einmal die Vanille-Riegel. So, wie Sie es gesagt haben. Ich fange morgen wieder mit dem Abnehmen an!“ Aha. Damit war der Abend beendet. Ich begleitete die Delegation in den Flur, wartete, bis alle wieder in ihren Mänteln und Jacken steckten, bedankte mich für den Besuch, winkte kurz hinterher und schloss die Haustür ab. Damals neigte ich noch ein wenig zur Unbeherrschtheit – und wenn ich ´rangekommen wäre, hätte ich mir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vor Wut selber in den Hintern gebissen!
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Oktober 2019
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